Pressemitteilung | 24.09.1999

Wichtiger Prozeßerfolg für DENIC eG

 OLG Frankfurt: Registrierungsstelle muß beim Streit um Internet-Adressen nur rechtskräftige Urteile umsetzen

Wie DENIC, die Registrierungsstelle für Internet-Domainnamen mit der Kennung ".de" (z. B. "denic.de"), mitteilt, hat das Oberlandesgericht Frankfurt ein wegweisendes Grundsatzurteil zur Rolle DENICs bei Domainstreitigkeiten erlassen. Nach Ansicht der Frankfurter Richter ist DENIC im Regelfalle nicht dazu verpflichtet, Domains auf etwaige Verstöße gegen Marken- oder andere Rechte zu untersuchen. Ebensowenig braucht DENIC schon aufgrund der bloßen Behauptung einer solchen Rechtsverletzung eine Domain vom Inhaber auf den anspruchstellenden Dritten umzutragen. Erst wenn zwischen den beiden Streitenden ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist, muß DENIC tätig werden. DENIC-Justitiar Stephan Welzel begrüßte die Entscheidung und erklärt dazu: "Was das Oberlandesgericht sagt, entspricht genau unserer Praxis: Erhebt jemand Anspruch auf eine Domain, die bereits registriert ist, verweisen wir ihn an den Domaininhaber. Beide Parteien müssen sich dann miteinander auseinandersetzen, ohne daß DENIC sich einmischt; denn DENIC ist eine strikt neutrale Institution. Erst wenn am Ende der Auseinandersetzung ein rechtskräftiges Urteil steht, setzt DENIC dieses um."

(Az.: 11 U Kart 59/99 - "ambiente.de").

Die DENIC Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft eG in Frankfurt am Main teilt mit:

DENIC, die Registrierungsstelle für Internet-Domainnamen mit der Kennung ("Top-Level-Domain") ".de" (wie beispielsweise "denic.de"), hat vor dem Oberlandesgericht Frankfurt einen wichtigen Prozeßerfolg erzielt. In ihrem Grundsatzurteil definieren und beschränken die Richter DENICs Prüfpflichten beim Streit um Internet-Adressen.

Gegenstand des Prozesses war die Domain "ambiente.de", die ein Privatmann sich hatte registrieren lassen. Dieselbe Domain beanspruchte sodann die Frankfurter Messegesellschaft, die regelmäßig eine Messe mit dem Namen "Ambiente" veranstaltet und für die Bezeichnung "Messe Frankfurt Ambiente" Markenschutz genießt. Der Domaininhaber verpflichtete sich gegenüber der Messegesellschaft zwar, den Gebrauch der Domain zu unterlassen, verweigerte aber die Freigabe. Die Messegesellschaft erhob daraufhin Klage gegen DENIC und verlangte, DENIC solle die Registrierung der Domain für den bisherigen Inhaber löschen und statt dessen sie als neue Inhaberin eintragen.

Das Landgericht Frankfurt als erste Instanz gab im letzten Jahr dieser Klage statt. Zur Begründung führte es aus, der Verzicht des Inhabers auf die Nutzung der Domain in Verbindung mit seiner Weigerung, sie freizugeben, stelle eine Blockade der Domain dar. DENIC habe von dieser Blockade durch entsprechende Mitteilungen der Messegesellschaft erfahren und sei deshalb verpflichtet, die Domainregistrierung zu löschen, um so den Weg freizumachen für die Eintragung der Messegesellschaft. Andernfalls behindere DENIC die Messegesellschaft unbillig; das jedoch sei nicht zulässig, weil DENIC auf dem "Markt" der Internet-Domains unter der Top-Level-Domain ".de" ein marktbeherrschendes Unternehmen darstelle.

Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung nunmehr aufgehoben und die Klage der Messegesellschaft gegen DENIC in vollem Umfang abgewiesen (Az.: 11 U Kart 59/98). In ihrem Urteil, dem ersten eines Oberlandesgerichts zu dieser Frage überhaupt, führen die Richter aus:

Zwar sei DENIC hinsichtlich der Vergabe von Domainnamen unter der Top-Level-Domain ".de" "wohl ein marktstarkes Unternehmen", und auch lasse sich "grundsätzlich in Erwägung ziehen", DENIC neben dem Domaininhaber für eine etwaige Verletzung von Marken- oder anderen Rechten durch eine Domain als mithaftend anzusehen. Gleichwohl könne DENIC tatsächlich nur unter besonderen Umständen, also in seltenen Ausnahmefällen, für eine Rechtsverletzung zur Mitverantwortung gezogen werden.

Denkbar sei das letztlich allein dann, wenn ein Domainname "unschwer erkennbar mit einem berühmten Kennzeichen übereinstimmt und der Anmelder sich lediglich daran in unzulässiger Weise anhängen oder in ersichtlich rechtswidriger Weise den jeweiligen Domainnamen für sich sperren will". Dagegen könne es DENIC "nicht zugemutet werden, umfangreiche rechtliche Überprüfungen anzustellen oder zu veranlassen und sogar die Rechtsbeziehungen zwischen dem Anmelder und einem Dritten" (also hier der Messegesellschaft und dem Domaininhaber) "im einzelnen zu überprüfen" und "von sich aus ohne ein vorliegendes rechtskräftiges Urteil zwischen diesen Parteien eine entsprechende Bewertung und daraus folgend eine entsprechende Verhaltensweise vorzunehmen".

Ein Anspruch auf die Löschung und Neuvergabe einer - wie hier - in gewisser Weise "blockierten" Domain komme danach nur in Betracht, "wenn die vorbestehende Registrierung offensichtlich rechtswidrig ist und sich der Inhaber der Domain für die Beklagte ersichtlich in einer mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu vereinbarenden Art und Weise verhält". Diese Voraussetzungen seien hinsichtlich der Domain "ambiente.de" jedoch schon u. a. deshalb nicht erfüllt, weil sie gar nicht der Marke "Messe Frankfurt Ambiente" entspreche.

Die Kernpassage des Urteils lautet wörtlich:

Es kann "nicht maßgebliche Aufgabe (von DENIC) sein, eine Entscheidung des Konflikts zwischen Dritten vorzunehmen und dabei eine umfassende rechtliche Prüfung (...) im Hinblick auf sämtliche kennzeichen- und wettbewerbsrechtliche sowie ggf. weitere Anspruchsgrundlagen vorzunehmen. Dafür genügen auch die ggf. in einem Abmahnschreiben des Kennzeicheninhabers vorgetragenen Feststellungen grundsätzlich nicht. Vielmehr bedarf es einer umfassenden - von der Beklagten (DENIC) nicht zu leistenden - rechtlichen Beurteilung, die auch die Berücksichtigung der etwa bestehenden Kennzeichenrechte und Interessen des Domaininhabers erforderlich machen. In der Praxis würde eine derart weitgehende Mitverantwortlichkeit der Beklagten (DENIC) dazu führen, daß sich ein wirklicher oder vermeintlicher Verletzter immer an die Registrierungsstelle halten könnte und halten würde. Dies erscheint unter den gegebenen Umständen (...) nicht sachgerecht und der Beklagten (DENIC) nicht zumutbar. Nur dann, wenn ihr ein rechtskräftiges Urteil gegen den ersten Anmelder vorgelegt würde, in dem (...) er damit zur Freigabe verpflichtet wird, kann von der Beklagten (DENIC) verlangt werden, die bisherige Registrierung aufzuheben."

Rechtsanwalt Stephan Welzel, DENIC-Justitiar, erklärte dazu in Frankfurt:

"Das Urteil des Oberlandesgerichts ist für DENIC ein ebenso großer wie wichtiger Erfolg; denn es bestätigt unsere Praxis im Umgang mit Domainstreitigkeiten. Damit ist jetzt auch obergerichtlich klargestellt, daß DENIC nicht bereits dann eine Domain vom Inhaber auf einen Anspruchsteller umzutragen braucht, wenn dieser eine vermeintliche Rechtsverletzung lediglich behauptet. Statt dessen muß der Anspruchsteller zunächst gegen den Inhaber gerichtlich vorgehen, und erst wenn er gegen ihn ein rechtskräftiges Urteil erwirkt hat, kann er von DENIC die Umtragung verlangen. Genau so handhaben wir es schon seit langem, und genau so ist es ja auch vernünftig.

DENIC nämlich ist außerstande, selbst eine Prüfung der Rechtslage vorzunehmen. Dabei muß man sich vor Augen halten, daß häufig - wie auch in diesem Fall - die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitenden für DENIC als Außenstehenden einfach nicht durchschaubar sind. Hinzu kommt ein erheblicher Unterschied zwischen dem, was das Recht erlaubt, und dem, was im Internet technisch möglich ist: Es ist rechtlich beispielsweise zulässig und in der Realität bekanntermaßen auch anzutreffen, daß verschiedene Unternehmen oder verschiedene Produkte denselben Namen tragen. Eine Internet-Domain hingegen kann nur genau einmal vergeben werden. Im Streitfall muß dann also entschieden werden, welches von mehreren gleichnamigen Unternehmen oder der Hersteller welches von mehreren gleichnamigen Produkten das bessere Recht hat. Diese Entscheidung zu treffen ist aber in der Regel sehr schwierig und muß deshalb den Gerichten überlassen bleiben.

Daß das Oberlandesgericht die Praxis DENICs jetzt bestätigt, ist nicht zuletzt auch deshalb sehr erfreulich, weil sie mit der international von sämtlichen Registrierungsstellen geübten Gepflogenheit übereinstimmt. Zudem entspricht sie DENICs Selbstverständnis als strikt neutraler Institution, die sich in Domain-Streitigkeiten nicht einmischt und nicht hineingezogen werden will.

Insofern hoffe ich, daß die Entscheidung des Oberlandesgerichts jenen Anspruchstellern eine Warnung ist, die es für eine gute Idee halten, nicht gegen den Domaininhaber, sondern gegen DENIC ihre Forderungen zu erheben. Jetzt dürfte klar sein, daß ein solches Vorgehen keinen Erfolg verspricht. Zugleich gehe ich davon aus, daß das Urteil Signalwirkung und Vorbildcharakter auch für andere Gerichte haben wird."